Herrenglück: Vor dem Frühstück joggen

Herrenglück: Vor dem Frühstück joggen 1024 682 Dirk Zupancic

Laufen bzw. Joggen habe ich nie mit großem sportlichen Ehrgeiz betrieben. Es war immer ein Ausgleich, eine gleichmäßige Leistung mit fast schon meditativem Charakter. Wobei ich die Vorzüge der echten Meditation erst viel später entdeckte. Joggen begleitet mich aber, mehr oder weniger intensiv schon sehr, sehr lange. Aber eben nicht vor dem Frühstück. Sondern am liebsten am Abend. Die Variante vor dem Frühstück ist eher aus Verlegenheit entstanden. In meiner Phase als Geschäftsführer, wenn plötzlich ein großer Teil Deiner Zeit fremdbestimmt wird. Also „aus der Not heraus“ schon vor dem Frühstück los.

Natürlich ist es eine Überwindung. Gerade an kälteren Tagen. Und wenn die Familie noch gemütlich eingekuschelt schläft. Mir hilft es, wenn ich mir die Sportklamotten schon am Vorabend herauslege und sie schön hindrapiere. Mir hilft es auch, mit einem guten Song geweckt zu werden und mich am Abend zuvor mental auf eine schöne Runde eingestellt zu haben.

Dann raus aus den warmen Federn, ein Glas Wasser getrunken, kurz gewaschen und Zähne geputzt. Etwas Eau de Toilette umhüllt einen später im Lauf, wenn die Haut leicht feucht wird, mit einem schönen Duft. Hineinschlüpfen in die bereitliegenden Klamotten. Einen kurzen Espresso und dann der erste Schritt vor die Tür…

Die Lungen füllen sich mit frischer Luft. In die Nase dringen – je nach Jahreszeit und Ort – die unverfälschten Düfte der natürlichen Nacht. Einige kurze Übungen, um den Körper auf die anliegende Leistung vorzubereiten und aufzuwärmen. Die Lebensgeister erwachen. Langsam trabend setze ich mich in Bewegung. Mein morgendlicher Lauf ist kein Wettkampf und kein Extremtraining. Der Kreislauf kommt in Schwung, die Atmung passt sich dem Schritttempo an. Nach kurzer Zeit finde ich einen Rhythmus – meinen Rhythmus für diesen Morgen und diesen Ort.

Dann, während des Laufens: Gedanken kommen, werden durchdacht und gehen. Weniges wird gespeichert, manches einfach abgehakt. Einige Themen aus dem anstehenden Pensum des Tagesgeschäfts oder der nächsten Tage denke ich gerne beim Laufen vor. Ich genieße aber vor allem auch die Natur oder die Umgebung, in der ich mich befinde. Eine schöne natürliche Szenerie gibt mir das gute Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Manchmal wird mir die Erhabenheit und die Größe der Natur in solchen Momenten besonders bewusst. Eine Stadt, in der ich eigentlich fremd bin, gibt mir beim morgendlichen Joggen das Gefühl, (zumindest ein bisschen) dazuzugehören. Solche Momente hatte ich z.B. in Sidney, in New York und in London. Plötzlich verschwimmt der Besucherstatus und ich gehöre dazu. Ein schönes Gefühl.

Das Laufen fühlt sich gut an. Er strengt mich nicht an, obwohl ich Anstrengung verspüre. Ich genieße, ich denke, ich atme. Ich versuche bewusst nach vorne zu schauen und nicht etwa auf den Boden vor mir (außer bergauf!). Ich versuche, meine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen, sie aufzusaugen. Alles, ohne Zwang und ohne Programm. Aber mit zunehmender Routine im morgendlichen Lauf auch mit größerer Achtsamkeit.

 

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