Der handgeschriebene Brief

Der handgeschriebene Brief 1024 682 Dirk Zupancic

Eine schöne Handschrift war mir schon früh sehr wichtig. Irgendwann durfte man in der Schule von der rundlichen, weiblichen Standardhandschrift auf Druckschrift und einen eigenen Stil umstellen. Nachdem ich zuerst die sehr schöne Druckschrift meines Vaters imitierte, entwickelte sich mein eigener Stil – eine „Druck-Schreibschrift-Kombination“. Bis heute glaube ich fest daran, dass ein Graphologe bei mir seine Schwierigkeigen haben dürfte, weil ich meine Schrift sehr bewusst optimierte, um meinen eigenen ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden. Diese sind auch heute noch die Basis, dieses Blogthemas. Heute habe ich meine professionelle Arbeit maßgeblich auf die digitale Verarbeitung der Schrift umgestellt. Wenn möglich arbeite ich digital mit iPhone (ja, auch unterwegs zum Schreiben), iPad oder Macbook. Damit ist die Bedeutung der Handschrift aber nicht etwa gesunken, sondern hat sie noch mehr zu etwas Besonderem gemacht. Nicht nur für mich, sondern vor allem – so meine Überzeugung – für die Empfänger. 

Der handschriftliche Brief ist auch in meinem Leben eher selten. Ich nutze ihn aber sowohl beruflich als auch privat. Er verfehlt seine Wirkung auch im Geschäft, z.B. bei Kunden, nicht: Im Erstkontakt wird er sicher wahrgenommen und häufig erfolgt eine Reaktion – im Gegensatz zu anderen Marketingbriefen. Zu besonderen Anlässen des Kunden drückt er meine individuelle Wertschätzung aus, natürlich nicht nur formal, sondern auch inhaltlich. Als Begleitung eines Geschenkes oder einer Aufmerksamkeit, signalisiert er dem Empfänger eine kleine Mühe, die ich mir gerne für sie oder ihn mache.

Zur Berufung wird der handschriftliche Brief im privaten Umfeld. Hier gilt er der Freundschaft, emotionalen Botschaften, der Pflege von Beziehungen, der Würdigung schöner oder trauriger Anlässe oder der Liebe. Die Auswahl des Briefpapiers ist genau so wichtig, wie die Wahl des Schreibgerätes und der Prozess der Schreibens selbst. Ich liebe mein Meisterstück von Montblanc, ein Geschenk meiner Eltern. Der Montblanc-Füllfederhalter ist eine Ikone der Schreibkultur. Er besticht durch Details, wie das Tintenversorgungssystem und die handgefertigte Goldfeder. Es ist ein Genuss ihn zu besitzen und zu benutzen.
 Zum Schreiben wähle ich einen ruhigen Ort. Einen bequemen Sitz, wenn möglich einen schönen, leeren Schreibtisch. Wenn es sich um ein langes Schriftstück mit wichtigen Gedanken handelt, gönne ich mir auch gerne einen schönen Rotwein oder einen Whiskey. Zu Beginn werden die eigenen Gedanken geordnet und die Themen grob strukturiert. Nach dem Start des Schreibens fließt es in der Regel. Ich verschreibe mich selten und muss auch nur selten neu ansetzen. Ich möchte im Brief nicht streichen oder korrigieren. Muss ich -zum Glück – auch nicht. Zitate setze ich gelegentlich ein, manchmal kurze Geschichten. In der Regel lege ich mir diese vorher zu recht. Wenn es fließt, ist das Schreiben an sich ein Genuss. Mehr noch das fertige Werk. Und auch die Vorfreude, wenn es zum Versand geht. Dabei ist das Versenden an sich nicht bedeutsam, sondern das Wissen, dass die eigene persönliche Botschaft in Kürze eine für mich bedeutsame Person erreicht.

Handgeschriebene Briefe beeindrucken. Vermutlich, weil sie selten geworden sind. Daher fallen sie auch auf. Man kann sie nicht maschinell produzieren – auch wenn es mittlerweile Maschinen gibt, die eine Handschrift nachahmen. Man sollte sie nicht nutzen. Der handschriftliche Brief ist etwas Besonderes und sollte nicht auch noch der Maschine geopfert werden. Schade, dass diese Form der stilvollen Kommunikation rückläufig zu sein scheint. Damit steigt jedoch die Aufmerksamkeit für diejenigen, die sie noch kultivieren.

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