Mutprobe: Houserunning
Mutprobe: Houserunning https://herrenglueck.de/wp-content/uploads/2018/08/IMG_6165-768x1024.jpg 768 1024 Dirk Zupancic Dirk Zupancic https://secure.gravatar.com/avatar/e0282a5196bdc2d24effdd32d2889ffd?s=96&d=mm&r=g- Dirk Zupancic
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Mutproben waren in meinen Augen irgendwie immer so eine typische Masche von Jungs. Es ging darum, sich etwas zu trauen, sich nicht vor anderen zu blamieren, etwas zu leisten, zu beeindrucken. Vielleicht ist damit auch in der heutigen Gender- und Gleichstellungsdebatte ein typisch männlicher Zug gemeint, den man heute eigentlich gar nicht mehr zeigen sollte. Dieser typische männliche Wettbewerbsgedanke… Egal, ich finde, Mutproben haben einen besonderen Reiz. Sie bringen uns an die eigenen Grenzen, helfen sie zu überwinden. Ich meine auch, wir wachsen an ihnen und entwickeln uns weiter. Ich mag Mutproben.
Einer solchen sah ich mich auch vor nicht allzu langer Zeit mal wieder ausgesetzt. Eigentlich schon weit nach dem „Jungsalter“ – obwohl ich mir manche jugendliche Züge gerne und bewusst bewahre. Es war ein Geschenk meiner Kolleginnen und Kollegen. Auch über deren Motive kann man bei einem solchen Geschenk philosophieren. So fragte mich auch später einer der Coaches, während ich am Abgrund stand: „Mögen Dich Deine Mitarbeiter?“ Ich persönlich glaube wirklich, sie wollten mir eine Freude machen. Und das war es auch. Eine große Freude sogar. Aber eins nach dem anderen …
„Houserunning“ bezeichnet eine abenteuerliche Form, sich von der Spitze hoher Häuser abseilen zu lassen. Dabei geht, läuft oder springt man mit dem Gesicht nach unten die Hauswand herunter.
Die Überwindung zu meinem Houserunning-Event zog sich lange hin. Der Gutschein verweilte aus naheliegenden Gründen eine Zeit auf meinem Schreibtisch. Dann jedoch, in einem Akt entfesselnden Leichtsinns und mit der Motivation, es mir selbst zu beweisen, entschloss ich mich zur Terminvereinbarung. Und eine solche ist dann bei meinem gewissenhaften Naturell auch verbindlich.
Der Zeitpunkt nahte und ich fuhr mit Begleitung meiner Familie zur Location des Events, einem Hotel in der Nähe Stuttgarts. Schon beim Ankommen merkt man, dass in luftiger Höhe etwas Besonderes geschieht, denn die Menschentraube am Boden schaut gebannt nach oben. Nach dem Check-In bei der Eventagentur, geht es in kleinen Gruppen nach oben auf das Dach des Hochhauses. Allein das ist außergewöhnlich, denn so oft kommt man ja nicht auf das Dach von Hochhäusern. In diesem Falle fuhren wir bis zum obersten Stockwerk mit dem Aufzug, mussten aber dann noch ein paar Treppen hinauf steigen und schon standen wir oben unter freiem Himmel mit atemberaubender Aussicht auf das Umland.
Meine Begeisterung verflog rasch. Nämlich mit jedem Schritt, mit dem ich mich dem Abgrund bzw. der Stelle näherte, an der es hinunter gehen sollte.
Hoch ist schön, wenn man in die Ferne schaut. Hoch ist weniger schön, wenn man an einer schroffen Betonwand steil nach unten schaut …. und Dir unten eine Traube von Menschen mit hochgestreckten Gesichtern entgegen schaut. Und da war es plötzlich wieder: Das Gefühl einer Mutprobe: Es geht darum, sich etwas zu trauen, sich nicht vor anderen zu blamieren, etwas zu leisten, zu beeindrucken …
Das folgende Prozedere des Anschnallens und der Erklärungen der Coaches, wie man die Wand heil hinunterkommt, habe ich nur sehr gedämpft in Erinnerung. An meine zitternden Hände und Kniee aber, erinnere ich mich sehr gut. Ich erinnere mich auch sehr klar an das Gefühl, am Abgrund zu stehen und langsam an Seilen in die Waagerechte geführt zu werden.
Und plötzlich stehe ich da. Auf der Kante eines Hochhauses, waagerecht mit angespanntem Körper den Blick nach unten. Man hängt im Geschirr der Seile und hat die Worte eines Coaches im Kopf: „Der erste Schritt in die Wand ist der schwerste.“ Das kann ich bestätigen. Das Bein zieht irgendwie durch die Schwerkraft nach unten, der Körper sträubt sich dagegen. Und dann ist der erste Schritt gemacht. Der Druck des Körpergewichtes in den Gurten wird angenehmer. Man fühlt sich sicher … relativ sicher. Beim zweiten und dritten Schritt entsteht fast so etwas wie Routine. Vor allem aber erweist sich das Vertrauen in die Technik und das Team der Eventagentur als eine starke mentale Stütze. Ich werde schneller und wage die ersten kleinen Sprünge. Die sind ein Mega-Gefühl. Ich schwebe von der Wand weg nach vorne, waagegerecht wie Supermann in den alten Comics. Langsam geht es dabei nach unten. Es stellt sich ein schönes Gefühl ein: Sicherheit, Freiheit (trotz der Gurte), Fliegen und die ersten Glücksgefühle nach einer Überwindung. Und diese prägen auch das Gefühl als ich unten von einer charmanten Kollegin des Eventteams in die Arme genommen und aufrecht auf den Boden gestellt werde. Dazu kommen die bewundernden (bilde ich mir ein) Blicke der Zuschauer. Klasse! Ein tolles Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke.
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